Der Wind hat sich gelegt. Die dünnen Zeltwände zittern nur noch wenn ich mich im Schlafsack drehe. Den musste ich mir nachts holen weil es deutlich kühler wurde. Winter in der omanischen Wüste. Vor dem Sonnenaufgang stehe ich vor dem winzigen Zelt, esse Früchte zum Frühstück. Als grosser Ball zieht sich die Sonne hinterm Horizont hervor. Kräftiges Licht überstrahlt die blassen Farben des Morgens und vertreibt auch die letzten Sterne. Zelt und Matratze sind schnell im Kofferraum verstaut. Unterwegs denke ich an den vorherigen, ersten Tag in Oman zurück. Sohar, die Stadt in der angeblich Sindbad geboren sein soll, war eher enttäuschend. Keine richtige Altstadt auszumachen, keine verwinkelte Medina mit geheimnisvollen Türen, mit versteckten Winkeln, in denen noch Teile des Schatzes des berühmten Seefahrers auf ihre Entdeckung warten. Der vielgerühmte Strand war ein kilometerlanger Sandstreifen begrenzt durch eine ebenso lange Betonpromenade. Immerhin fand ich an der Küste diesen Strandabschnitt zwischen zwei Ortschaften. Familien kommen hierher zum Picknicken, Verliebte fahren für ein verstecktes Tete-a-tete her, Kinder spielen am Meer mit Muscheln und Jugendliche joggen von einem Ort zum anderen. Am späten Abend sind sie alle wieder weg und lassen mich mit ihrem Müll alleine. Unbehelligt kann ich hier campen.
Ich erreiche wieder das Hajar-Gebirge, das ich schon auf dem Weg nach Oman überquerte. Die Strassen sind in einem ausserordentlich guten Zustand. Nur mit der Beschilderung hapert es ab und zu. Manchmal sind die Wegweiser nur in einer Richtung angebracht, oder sie fehlen plötzlich gänzlich. Das führte mich auch schon zu einer kafkaesken Rundreise durch die Berge. Verheissungsvolle Wege führten mich ins Leere, änderten unvorhersehbar ihre Richtung, endeten in einem Dorf vor einer unüberwindbaren Felswand und führten mich schliesslich wieder zum Ausgangspunkt zurück. Auch gelegentliches Nachfragen in der dünnbesiedelten Bergwelt half nicht, denn man zeigte mir mehrmals den Weg zurück, wo ich herkam. Irgendwann schien ich die richtige Strasse erwischt zu haben, kreuzte gar wieder meine alte Spur und es tat sich der Berg – wie ein Sesam-Öffne-Dich – vor mir auf und liess mich auf die andere Seite. Diesmal frage ich in Al Hazm nach dem Weg nach Rustaq. Ein freundlicher Omani im traditionellen Dishdash lädt mich erst zum Kaffee ein, der in kleinen Tassen und mit viel Zucker serviert wird, und erklärt mir seelenruhig den Weg, will wissen woher ich komme und wohin ich gehe. Gute, alte Nomaden-Manier.
Die Wassertemperatur der Quelle in Rustaq soll etwa 45°C betragen. Das schreckt mich nicht ab. Nach zwei Campingnächten lechze ich nach einem Bad. Es braucht wiederum mehrmaliges Nachfragen bis ich die kleine Quelle entdecke. Sie liegt ummauert hinter einer schmucklosen Moschee. Durch einen schmalen Kanal wird das Quellwasser in ein Badeareal geleitet, das wiederum ummauert ist. Eine Sektion für muslimische Männer, eine weitere für muslimische Frauen reserviert. Da ich dazu erst konvertieren müsste, lass ich es bleiben. Schliesslich führt mich die Route über Nakhla, was eine weitere Badegelegenheit verspricht.
Die Festung von Nakhla ist tatsächlich so sehenswert wie es mein bescheidener Reiseführer verspricht. Viele verschachtelt angelegte Räume mit bunten Kissen ausgestattet, zinnen bewehrte Terrassen mit grandiosem Ausblick über die Oasenstadt und dickwandige Türme mit Kanonen bestückt wird es zur Traumburg eines jeden Knabentraums. Ich lasse mir Zeit zur Besichtigung, erfühle das Alter der groben Wände, rieche den Staub der Jahrhunderte in stickigen Gemächern, erdenke mir das Leben vergangenen Epochen.
Schweiss auf meiner Stirn erinnert mich wieder an die Gegenwart und die Dringlichkeit des Bades. Nicht weit entfernt finde ich die versprochene Quelle. Neben dem grossen Parkplatz fliesst ein bescheidenes Flüsschen. Immerhin scheint es Wasser zu geben. Noch auf dem Parkplatz weist ein grosses Schild in mehreren Sprachen auf das wertvolle Gut Wasser hin und mahnt diese Ressource zu schützen und vor allem nicht zu verschmutzen. Gleich vor diesem Schild werden Autos gewaschen. Eine ölige Lache zieht quer durch den Parkplatz hinab zum Flussbett. Kopfschüttelnd erreiche ich die eigentliche Quelle. Aus einem tiefen Loch im Fels sprudelt zirka 32°C warmes Badewasser in ein Becken. Ich geselle mich zu den Jungs, die fröhlich drin planschen. Wohlig umspült mich das temperierte Nass, erfrischt und belebt, besser als jede Duschgelwerbung es beschreiben könnte.
Lange bin ich an diesem Abend noch wach. Nicht wegen des erfrischenden Bades, sondern weil mein vermeintlich idyllischen Campingplatzes in einem tiefem Talkessel auch noch bis zehn Uhr nachts von Baustellenlärm tangiert wird. In der Nähe wird an einer neuen Strasse gebaut, scheinbar ohne Unterbruch. Im Dunkeln packe ich mein Zelt, fahre ein paar Dutzende Kilometer zurück und finde schliesslich am Fuss des Gebirges auf einer steinigen Ebene ein ruhiges Schlafplätzchen unter glitzerndem Sternenhimmel. Eine letzte Sternschnuppe erfüllt mir den Wunsch eines erholsamen Schlafes 🙂