OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #38: Durch das goldene Moldawien

Die Vermutung vom Vortag bestätigte sich: Die Strassen sind viel besser als in der Ukraine. So glitt die Honda ruhig und zügig durch das hügelige Land. Einzelne Dörfer zogen vorbei, herbstlicher Wald fing mich ein, um dann von riesigen Feldern abgelöst zu werden. Kaum Verkehr, der diese Atmosphäre störte.

Auch der Grenzübergang nach Rumänien gestaltete sich unproblematisch. Die relativ kurze Wartezeit wurde mit gratis WLAN versüsst, und andere Reisende wollten mehr über meinen Motorradtrip erfahren. Diese Pause brauchte ich auch, denn danach ging’s in hohem Tempo durch flaches Land auf die Hauptstadt Rumäniens zu. Budapest empfing mich mit zähem Verkehr, der sich immer wieder staute. Endlich fand ich das gebuchte Hostel, das seinem Namen gerecht war, Zen Tribe Hostel. Mit einem offenem Lachen begrüsste mich Peter, stellte mich den anderen Gästen vor, die mich alle ebenfalls offen begrüssten, und waren besorgt meine Honda durch das engen Gartentor in den sicheren Vorgarten zu bringen. Ich mochte die Stadt entgegen meiner Erwartung auf Anhieb.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #37: Durch Transnistrien nach Moldawien

Ein gutes Gefühl wieder unterwegs zu sein. An der letzten Ukraine-Tafel stieg die Spannung auf Transnistrien. Das Land hat sich 1990 von Moldawien abgetrennt, wurde aber nie vom anderen Staaten anerkannt, ausser Russland. Trotzdem hat es eine eigene Regierung, eigen Währung und eigene Grenzkontrolle.

Und die erkannte ich schon von weitem an ihren grossen Hüten, die aus der russischen Ära hinübergerettet wurden. Durch die überdimensionierten Kopfbedeckung sehen die Köpfe doch noch kleiner aus, dachte ich beim näher kommen. Wegen Sprachschwierigkeiten dauerte es eine Weile bis ich meine Reisepläne klar machen konnte. Also ein Transitvisa, beschlossen die Beamten, und händigten mir einen Zettel aus. Ein weiterer Zollbeamte wollte noch wissen, was ich einführe. Da ich aber weder Drogen, Rauchwaren, Alkohol oder Waffen mitführe, liess auch er mich passieren. Das alles ohne grosse Wartezeiten und Schmiergelder, wovor ich schon gewarnt wurde.

Natürlich musste ich in der Hauptstadt Tiraspol eine Kaffeepause einlegen. Ansonsten fand ich beim Durchfahren nichts anziehendes an der grauen Stadt. Darum ging’s nach dem Kaffee auch gleich weiter. Wobei die Ausreise etwas komplizierter wurde. Der Zöllner fragte nach einem Schein, worauf das Motorrad deklariert wäre. Hatte ich bei der Einreise nicht bekommen, und wurde auch nie erwähnt, obwohl bei der Einreise meine Maschine gesehen und begutachtet wurde. Es wäre meine Pflicht, das Fahrzeug zu deklarieren, und damit hätte ich eine Busse zu begleichen. Da haben wir’s. Diese Scheinanschuldigungen, die dazu dienen, Geld aus Reisenden zu ziehen. Ich blieb hart, und durfte dann tatsächlich mit einer Verwarnung weiterziehen.

Chisinau, die Hauptstadt Moldawiens, hat mich positiv überrascht. Im Herzen der Stadt sind zwei Parks angelegt, die Möglichkeiten zum Verweilen bieten. in einem befindet sich eine orthodoxe Kirche. Sie war gut besucht als ich mich ihr näherte. Junge Frauen, in hübschen, kurzen Röcke bedecken ihr Haar züchtig mit einem Schal oder Schleier beim Betreten der Heiligen Räume. Draussen sitzen Liebespaare auf den Bänken und spazieren junge Familien in der Alleen. Ich werde von einem jungen Paar angesprochen, die selbst auf Reisen ist. So ergibt sich ein netter kurzer Austausch auf der Strasse.

Bevor ich mich in mein Zimmer zurückziehe, geniesse ich ein Abendbier in der nahen, gemütlichen Bar und sinniere über schnelle Touren versus langsames Reisen nach. Hier würde ich definitiv noch etwas Zeit dranhängen.

 

 

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #36: Die Burg Akkerman in Bilhorod-Dnistrovskyi

Die Stadt Bilhorod-Dnistrovskyi liegt südlich von Odessa am Schwarzen Meer. Eine strategische wichtige Position, die seit jeher besiedelt wurde. Darum ist es auch nicht verwunderlich, hier eine grosse Burganlage zu finden. Nach der Feriensaison ist es besonders ruhig und ich hatte die Anlage fast für mich alleine. Ich schlenderte also gemütlich darin herum, erklomm die Zinnen, kämpfte gegen anstürmende Drachen und befreite gefangen genommene Prinzessinnen…

Auf der Suche nach einem netten Cafe stoppte ich an einem Park, der die Helden vergangener Kriege huldigt. Kanonen und ein echter Radpanzer wurden neben vergoldetem Soldatendenkmal aufgestellt. Hier wird nicht an die Gräuel der Kriege erinnert und ermahnt, die Zukunft friedlicher zu gestalten, sondern propagiert den Heroismus und huldigt den Kampf.

 

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #35: Ans Schwarze Meer

Es drängte mich weiter zu kommen. Aus diesem unfreundlichen Hotel raus. Raus aus der Stadt. Ans Schwarze Meer, ohne grossen Hafen, dafür mit Sandstrand. Doch nach zwei Kilometer Fahrt streikte die Honda auf’s Neue. Mitten in der Kreuzung, auf den Tramschienen, ging der Motor aus und liesst sich nicht mehr starten. Auf den Bürgersteig geschoben, setze ich mich erst ins Café nebenan und checkte die Lage. Glücklicherweise gab’s nicht weit entfernt eine Honda-Werkstatt, die einen Bus vorbei schickte. Der Fahrer und ich waren soeben am Einladen, als spontan ein weiterer Motorradfahrer anhielt und mithalf. Ein weiteres Beispiel, wie ein verbindendes Element, hier das Motorradfahren, ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt. Wir sollten öfters nach Gemeinsamkeiten und Verbindendes schauen und weniger nach dem was uns unterscheidet und trennt.

Trotz allen philosophischen Überlegungen, der Fehler am Motorrad musste gefunden werden. Die anfängliche Vermutung, es liege an der Benzinpumpe, würde eine weitere Woche Warten auf das Ersatzteil bedeuten. Eine Woche, in der ich hoffte, viele Kilometer hinter mich zu bringen. Dann aber die Erleichterung; der Fehler lag an einem kleinen Schalter, der den elektrischen Zugang zur Benzinpumpe unterbrach, oder so. Egal, Hauptsache die Maschine läuft, ohne lange Wartezeiten, ohne grosse Kosten. Der Tag war zwar fast verloren, dafür gewann ich einen weiteren (Motorrad-)Freund mehr.

Eine gute Stunde Fahrt gen Süden liegen einige Orte direkt am Meer. Die Badesaison ist vorbei, dementsprechend verlassen wirkte die Gegend auch. Der Weg zur angepeilten Unterkunft, führte auf lose Schotterwege, die dann in Sand führten. Also die schwere Maschine mühsam drehen und weitersuchen. Immerhin war ich am Meer. Die Motorradstiefeln ausziehen und die Füsse ins kalte Schwarze Meer stellen. Kurz vor Sonnenuntergang fand ich doch noch ein Gästehaus. Und Abendessen. Und Bier. Alles wird gut.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #34: Letzter Spaziergang durch Odessa

Ohne festes Ziel. Zum Hafen, wo die ganzen Kreuzfahrtschiffe einlaufen und von wo sich Touristengruppen in der Stadt verteilen. Der Strassen entlang, wo sich Halbstarke mit ihren Motorräder wichtig machen. Zu einem der Parks, wo sich Schachspieler duellieren und sich einer als Meister entpuppt. Durch Kaufhäuser, die nicht durch ihr Warenangebot beeindrucken, sondern durch ihre Architektur. An interessanten Statuen und schönen Frauen vorbei, die Geschichten aus der Vergangenheit und der Gegenwart erzählen. Ich kann nicht etwas heraus picken, was Odessa besonders macht. Aber wenn es was ist, dann ist es das Flair, das am Schwarzen Meer einzigartig ist.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #33: Die Bühnen Odessa’s: Markt, Gotteshäuser, Oper, Bars…

Samstagmorgen. Die Hotelangestellten sind auch heute unfreundlich. Es scheint hier Pflicht zu sein, den Gast zu ignorieren. Wenn er doch Auskunft will oder Hilfe braucht, ihn mit so gekonntem Widerwillen zu strafen, dass man sich in einer Komödie wähnt.

Ein Markt, ebenfalls Bühne des Lebens, wo gefeilscht wird, dramatische Geschichten übertrieben wiedergegeben werden und noch zappelnde Fische entschuppt werden. Das riesige Dach überm Markt erinnerte mich sehr an eine Theaterkuppel. Damit gab es mir den Anstoss, das Leben als Theater zu sehen, das sich auf vielen Bühnen abspielt. Mit dieser Metapher gehe ich weiter durch Odessa. Gotteshäuser, zum Beispiel, in denen sich Menschen verkrampft an überholte Regeln und Rituale halten,die dann im nächsten Wirtshaus gleich wieder mit Bier runtergespült wird. Die Fassaden an den Strassen sind überzogen mit bunten Graffitis, verstecken die grauen, eintönigen Wohnbunkern. Davor kreuzen weisse Stretch-Limousinen und schwarze Nobelschlitten mit Stern auf der Kühlerhaube. Sie halten vor dem Opernhaus, was ich sehr passend finde, und inszenieren mit dem Fotografen eine romantische Szene in Kleidern, die sie den Rest des Lebens nicht mehr tragen werden.

Es wird Abend in Odessa, doch das Leben geht weiter, schläft nicht. Besonders nicht Samstagnacht. Also gehe ich in eine Bar, bestelle mir, nach längerer Wartezeit, ein Bier. Das Wechselgeld behält er grad bei sich. So spart er sich das Suchen von Kleingeld und mir die Überlegung, wieviel Trinkgeld ich da lassen soll. Auf dem Bildschirm zappelt ein Mann aufgeregt mit dem Mikrofon in der Hand, während aus den Lautsprecher eine schrille Frauenstimme ihren Hit rausbrüllt. Warum bringen sie in der Bar nie die Musik, die am Bildschirm als Video gezeigt wird? Ist es ein technisches Problem oder steckt da was anderes dahinter, sinnierte ich. Da wurde ich aber auch schon von zwei Frauen abgelenkt, die sich gleich neben mich setzten. Ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass in Odessa, obwohl offiziell illegal, viele Prostituierte in Bars und Nachtklubs auf Kundenfang gingen. Davon zeugen auch die vielen Stripclubs und Cabarets, denen ich auf der Strasse vorüberging. Nach dem zweiten, oder dritten, Bier gehe ich aber ins Hotel zurück. Alleine, denn auf dieses Theater kann ich nun wirklich verzichten.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #32: Caroussel De Odessa

Das zweite Frühstück war um einiges leckerer als das vom Hotel angebotene, obwohl es den selben Namen trug. Dafür musste ich mich aber überwinden in den Regen hinaus zu treten. Ich hab’s mir gerade im Frühstückslokal gemütlich gemacht, da kam ein Tipp rein, wo ich meine Halterungen für Motorradboxen verstärken lassen könnte. Das Leben ist ein ewiger Kreislauf, dachte ich mir, schälte mich aus der bequemen Sitzposition und machte mich auf den Weg. Aber auch der Regen war wiederkehrend. Dieses mal in Strömen, der anhielt, während sich der Mechaniker und ich mit wiederholenden Gesten verständigten , bis klar wurde, wie das Resultat aussehen sollte.

Unter dem grauen Himmel ging ich den Strassen entlang, mal links mal rechts, bis ich irgendwann das erste mal zum Hafen und zum Schwarzen Meer runtersah. Eigentlich wollte ich da näher ran, doch irgendwie spazierte ich im Kreis und landete an einer Kirmes. Neben dem Karussell lachte mich ein Gorilla hämisch an. Es ist doch wie im Leben, immer wiederkehrend , dachte ich als ich das Schild las: Caroussel de Odessa.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #31: Sowjetischer Raketenstützpunkt

Der ganze Wahnsinn des Kalten Krieges wird einem bewusst wenn man in einer Kommandozentrale in einem 45 Meter tiefen Bunker sitzt und den grauen (nicht roten) Knopf drückt, der zehn Raketen mit Nuklearsprengköpfe auf den Weg zur Vernichtung der Welt schickt.

Die Raketenstützpunkt auf dem Weg nach Odessa war echt. Während dem Kalten Krieg von der Sowjetunion gebaut, heute aber ein Museum. Genau so echt war die Kommandozentrale, in der ich sass und diesen ominösen grauen Knopf drückte. Gleichzeitig mit dem Museumsführer in Uniform, der hier den 2. Offizier mimte. Ein sonores Signal ertönte. Ich zählte mit. Zehn mal, einmal pro Sekunde, blinken dazu zehn Lämpchen auf, die den Start der Nuklearraketen anzeigten. Das mulmige Gefühl lässt sich währenddessen nicht abschütteln. Nun wären die todbringenden Atomwaffen unterwegs.

Natürlich war der Mechanismus entkoppelt und die Raketen schon vor Jahren verschrottet worden. Eine der Raketen wurde aber noch für’s Museum vor dem Bunker ausgestellt. Genau davor wurde ich mit meiner Honda gelotst als ich ankam. Auf dem Gelände sind noch viele weitere Geschosse und militärisches Gerät aufgestellt. Darunter auch kleinere Raketen und riesige LKW’s, die speziell für Raketentransporte, sowie Beladung der unterirdischen Startstellungen, konzipiert wurden. Im Museumsgebäude selber wird die Geschichte des Kalten Krieges erzählt, verschiedene Waffen ausgestellt und anhand von Attrappen eine Kommandostelle von Nuklearwaffen erklärt. Danach ging’s in einer Führung durch’s Gelände, und schliesslich durch enge, dunkle Gänge and den Bunker zu gelangen. Ein kleiner Lift bringt uns in 45 Meter Tiefe, wo sich immer mindestens vier Offiziere aufhielten, um bei Alarm sofort einen atomaren Gegenschlag auszulösen. Es ist ein Glück, dass es niemals dazu kam. Trotz allen Lehren, die wir im Zusammenhang mit atomaren Unfällen und Bomben, gezogen haben, ist diese Bedrohung leider immer noch nicht beseitigt, sondern flammt gerade nochmals stärker auf. Eine verrückte Spezies, dieser Mensch.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #30: Zurück auf ukrainischen Strassen

Bereits vor meiner Ankunft in Lviv bekam ich Nachricht, dass das Ersatzteil für mein Motorrad eingetroffen sei, und die Honda bis mittags wieder fahrtüchtig wäre. Ich stornierte daraufhin mein gebuchtes Zimmer. Während ich mein Koffeinspiegel noch am Bahnhof auf ein erträgliches Mass brachte, schraubten die Mechaniker die Honda wieder strassentauglich.

Kurz vor Mittag gab’s noch ein Erinnerungsfoto, dann drehte ich am Gasgriff. Bereits 30 Kilometer weiter sprang der Kilometerzähler auf die runde 140’000km! Ich nahm der Maschine das Versprechen ab, diese Zahl mindestens zu verdoppeln. Das Versprechen der Strassenkarte, auf der Achse Lviv – Uman eine gut ausgebaute Verbindungsstrasse vorzufinden, wurde hingegen nicht gehalten. Schlechter Belag, Schlaglöcher, Spurrillen von schweren LKW’s, Querrillen und Bodenwellen. Auf einigen Abschnitten wurde gebaut und ausgebessert, wobei ich die schwere Maschine über losen Schotter oder gar glitschigen Lehm balancieren musste. Eine echte Herausforderung für ein Asphaltverwöhnter.

Allen Widrigkeiten zum Trotz kam ich doch 380km weit bis nach Winnyzja. Der neue Stossdämpfer hat sich dabei bestens bewährt. Im einfachen Gästehaus kümmerten sich der Eigentümer um meine Maschine und liessen sie über Nacht in einer Waschanlage einschliessen. So konnte ich beruhigt im schwindenden Tageslicht eine kleinen Rundgang unternehmen. Typische Wohnblöcke, kleine Kirchen und grosse Monumente beherrschten das Stadtbild. Mein Hunger trieb mich am Nightclub vorbei, liess mich dann aber im Gentleman’s Cafe eintreten. Der erst nette Eindruck, einer gediegenen Atmosphäre mit freundlichem Begrüssungslächeln der Kellnerin, wurde dann aber jäh geschmälert. Mangels vegetarischen Alternative, blieb mir nur eine Gemüsepizza, die nach Karton schmeckte, die ich mit zu milchigem Cappuccino runterspülte.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #29: Der Abschied von Kiev

Wenn man etwas länger in einem Ort verweilt, auch die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgeklappert hat, dann fängt man an einfach drauflos zu gehen. Ohne Plan und Ziel. Manche Kilometer sind nichts besonderes, gar langweilig. Dann aber entdeckt man etwas ganz überraschendes oder trifft interessante Leute.

So liess ich mich auch an meinem letzten Tag in Kiev treiben. Pärke mit moderneren, zumindest neueren, Kunstwerke lenkten mein Augenmerk. Auch immer wieder Graffitis. Und natürlich ausgefallene Café’s, mal als Hexenhäuschen, mal als Bus oder auch als Schnecke. Mit Schreiben und Spaziergängen näherte sich die Abfahrtzeit des Nachtzugs nach Lviv. Ich mag lange Bahnfahrten, insbesondere auch Nachtzüge, doch freue ich mich auch wieder auf meine zweirädrige Honda.