Loyangalani am Turkanasee

Heiss, trocken und staubig, das ist Loyangalani am Turkanasee. Ein Bad im See spendet zwar etwas Erfrischung, doch das Wüstenklima erfasst einem wieder sobald man am Ufer steht. Immerhin gibt es Quellen, in deren Nähe der Ort gegründet wurde. Auch unser Camp liegt an einer dieser kleinen Quellen. Das Wasser reicht aus um einige Schatten spendende Palmen hervorzubringen. Es lockt aber auch immer mehr Leute heran, die der kargen Landschaft nichts mehr abtrotzen können und in unsäglicher Armut leben. So wächst Loyangalani und droht die wenigen Ressourcen mit zu vielen Menschen teilen zu müssen.

Trotz Mittagshitze schlendern Michael und ich durch die staubigen Strassen. Hie und da kommen wir in ein Gespräch, machen Fotos und versuchen mehr über das Leben hier zu erfahren. Eine italienische Nonne erzählt uns über das ärmliche Leben hier, über die vielen Kinder, die trotz örtlicher Schule kaum Zukunftsperspektiven haben. So vertrauen sie alle, dass eine göttliche Fügung die ersehnte Wendung in diese Wüstengegend bringt. Bis diese aber kommt sinnieren Michael und ich über die sinnvolle Nutzung der Quellen. Unsere europäische Denkweise stört sich an Verschwendung des Wassers, das oft ineffizient genutzt wird und irgendwo über die Strasse läuft, um dort im sandigen Graben zu versickern.

Touristen gibt es in dieser abgelegenen Region weniger. Einige verirren sich trotzdem dahin. Nicht zuletzt wegen Wolfgang, der hier vor etwa 40 Jahren als erster ein Resort aufgebaut hat. Aus dem Geschäft hat er sich zurückgezogen, hiess es. Eine Legende ist er geblieben. Michael, mein Reisebegleiter, und ich fanden Wolfgang bei einem Bier in einer Bar. Mit einer Kippe in der Hand starrt er in den Fernseher über der Bar. Das Fussballspiel interessiert ihn offensichtlich mehr als wir Neuankömmlinge. Mein redseliger Reisegefährte löchert ihn mit Fragen und erzählt ihm von seinem Leben und Plänen als Missionar in Kenia. Wolfgang zeichnet ein müdes Lächeln auf sein eingefallenes, tief gefurchtes Gesicht. Ihn interessiert es nicht, denke ich für mich. Er sieht aus wie ein Mensch der mit dem Leben abgeschlossen hat. Die Geschichten anderer berühren ihn nicht mehr, und die eigene Geschichte ist abgelebt. Sein hagerer Körper fragt nur noch nach etwas Maisbrei mit Fleischstückchen, einem Bier und Zigaretten. Der müde Geist gibt sich mit dem Fernsehprogramm in der Bar zufrieden, und vielleicht flackern einige erinnerungswürdige Momente vor seinem inneren Auge auf.

Die Reise zum Turkanasee

Michael ist Missionar, aus Überzeugung. Mit Leidenschaft kümmert er sich in einer entlegenen Ecke Kenya um Kinder und arbeitet an Wasserprojekten. Er ist aber auch Technikfreak, der früher zu den Formel 1 Rennen tingelte und sich in den Boxen grosser Rennfahrer aufhielt. Mit leuchtenden Augen erzählt er mir von Begegnungen mit Stars aus dem Rennzirkus und belegt dies mit Fotos, auf denen er mit Legenden wie Michael Schuhmacher oder Norbert Haug zu sehen ist. So ist es nicht verwunderlich, dass unser „Boxenstopp“ auf der Magie Ranch etwas länger als geplant ausfiel. Die meiste Aufmerksamkeit aber zog sich dann die zahme Giraffe auf sich, die sich gerne ihre Ration Kohlgemüse an der Küche  füttern liess.

Vor gut einem Jahr lernte ich Michael am Lake Bogoria kennen. Eines Tages schrieb er mir, lass uns eine Tour gemeinsam machen. Dann lass uns gemeinsam zum Lake Turkana reisen, schlug ich ihm vor. Die Gegend um den Turkanasee gilt als abgelegen und schwierig zu befahren. Doch die Landschaft auf der Strecke Maralal via South Horr zum grössten Wüstensee der Welt ist sehr reizvoll. Buschige Savanne wechselt sich mit bergiger Landschaft ab, bevor man auf eine öde, steinige Gegend trifft. Grosse Windenergie-Anlagen senden Strom durch riesige Überlandleitungen zu den Städten im Süden. Ein gross angelegtes Projekt, über deren Effizienz ich unterschiedliche Meinungen hörte. Die Landschaft wirkt nun jedenfalls surreal, mit den summenden Rotoren in der steinigen Wüste.

Nicht mehr weit davon entfernt, neigt sich der Boden sanft ab und gibt den Blick frei auf einen tiefblauen See. Wir kommen dem Ufer des Turkanasees näher. Kein Grün säumt die Uferböschung, nur Sand und Steine. Vereinzelt sieht man Ziegen, die verdorrtes Gras zwischen den Felsen zupfen. Rundhütten und aus Steinen konstruierte Gebäude kündigen unser Ziel hier an, der Ort Loyangalani.