OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #19: Zu Fuss unterwegs

Wandern kann man das wahrscheinlich nicht nennen, aber ich wollte zumindest einen grösseren Spaziergang ins zwei Kilometer entfernt Dorf machen. Eine wackelige Hängebrücke bot sich an, einen Umweg via der anderen Flussseite zu machen. So stapfte ich mit meinen Sportschuhen, die eigentlich für Stadtrundgänge gedacht waren, durch die Felder und kurze Waldabschnitte. Vielerorts war der Boden morastig aufgeweicht, wo schweflige Quellen aus dem Boden rinnen. Hinweisschilder in Kyrillischer Schrift machen auf irgendwas aufmerksam. Vielleicht über die Geschichte, der nahen Tunnels, die während des Krieges gebuddelt wurden. Vielleicht aber auch ein Warnschild oder einfach ein Gruss an allfällige Wanderer.

Ich folgte dem Fluss. Einzelne Pferde weiden frei auf der saftigen Wiese, während andere sich in Koppeln sammeln. Als der waldige Berg bis zum Flussufer kommt ist Schluss. Entweder den Wald hochkraxeln oder durch den Fluss waten. Ich entschied mich für letzteres.

Die eiskalten Füsse steckte ich drüben wieder in Socken. Nun ist’s nicht mehr weit bis zum Dorf Kolochava. Die ersten Bewohner, vier Männer in unterschiedlichem Alter, sitzen auf Holzbrettern am Fluss und trinken Bier. Sie verstummen als ich näher kam und beäugen mich. Ich grüsse. Fast scheu grüssen sie zurück. Im Dorf begegne ich dieselbe Zurückhaltung. Entweder man geht mit starren Blick geradeaus an mir vorbei, oder ich ernte skeptische Blicke. Dabei sollten sich die Einwohner Touristen gewohnt sein. Viele Tschechen, Polen und Rumäne, aber auch Deutsche verirren sich gerne in dieses schöne Wandergebiet. Ich trinke Kaffee auf dem Dorfplatz und lasse das beschauliche Leben auf mich einwirken. Später finde ich ein Restaurant, in dem mich die Deutschlehrerin über die Geschichte der Gegend informiert und mir sogar Touren anbietet. Leider habe dazu keine Zeit, erwidere ich, zu eng ist mein Zeitplan gesteckt. Immerhin reicht die Zeit und das Tageslicht vor meiner Unterkunft noch, um einige Seiten zu lesen.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #18: Tour nach Transkarpatien

Transkarpatien? Noch nie davon gehört. Dann erzählt mir meine Gastgeberin in Uzhhorod, dass ich mich bereits im Hauptort dieses ukrainischen Gebietes befinde. Sie gibt mir weitere Tipps für die Streckenwahl, rät mir aber erst die Altstadt von Uzhhorod zu besichtigen. Ja klar, es ist ja nicht weit in die Bergwelt von Transkarpatien, erwidere ich. Nicht weit, aber schlechte Strassen dort, warnt sie.

So nehme ich in der Innenstadt einen herzhaften Brunch und den obligaten Cappuccino zu mir und setze mich voller Vorfreude auf die Honda. Zügig ging’s los. Nur LKW’s bremsten das Fahrvergnügen auf kurvigen Hauptstrassen. Dann aber bog ich Richtung Nationalpark Synevir ab, wo ich zwischenzeitlich bereits eine Unterkunft buchte. Die vermeintlich ruhige Waldstrecke entpuppte sich als holprige, von Asphaltflicken und Schlaglöcher übersäte Strasse. Immer wieder katapultierte mich eine Bodenwelle aus dem Sitz und brachte die Honda ins Schlingern. Langsam und konzentriert nahm ich jede Kurve, immer bereit auf das nächste Hindernis, ob Schlagloch, gemächliche Kuh oder langsames Pferdefuhrwerk.

Ein einsames Haus auf einem Grat versprach Kaffee. Ich fragte nach einem kleinen Imbiss. Einer gemeinsamen Sprache nicht mächtig, artikulierte ich ein internationales „Sandwich“, worauf ich nur Kopfschütteln erntete. In einem Wortschwall pickte ich sinngemässe Aussagen heraus wie; kein Sandwich, kein Burger, hier gibt’s nur ukrainisches Essen. Nicht russisch, nicht tschechisch, aber echte ukrainische Kost. Okay, das wäre mir sogar sehr recht, solange kein Fleisch drin ist. „Ahh, Vegetarianskji“ antwortet der bullige Kerl verständnisvoll. Daraufhin serviert er mir eine Gerstensuppe, Tomaten-Gurkensalat mit viel Zwiebeln und einen (vermutlich) Maisbrei mit Schafskäse. Dazu ein Getränk, das mich sehr an Holundersaft erinnert. Selbst hergestellt, erklärt er stolz. So gesättigt setze ich meine Fahrt fort.

Doch meine Freude währte nicht lange. Kurz vor Menem Ziel bemerkte ich ein zunehmendes Schlingern und Schaukeln des Motorrades. Ich schrieb das erst dem Strassenzustand zu, musste aber dann feststellen, dass der Stossdämpfer Öl verliert und damit unbrauchbar wurde. Und das hier in den tiefen Wälder von Transkarpatien.

Immerhin erreichte ich die Unterkunft einige Kilometer ausserhalb eines schnuckeligen Dorfes mit schöner Holzkirche. Besitzer hiessen mich an einem grossen Gebäude willkommen, das früher als Jugendherberge und Schulausflugs-Zentrum diente. Nun steht es die meiste Zeit leer. Mein Zimmer durfte ich selber auswählen, das Haus gehörte nun für zwei Tage ganz mir. Der Besitzer zog wieder ab und liess mich im knarrenden Haus buchstäblich im Wald stehen. Hier verbringe ich also abends am Laptop tippend, gucke die langen, leeren Gängen entlang und kann die Bilder vom Film ‚Shining‘ nicht ganz aus dem Kopf verdrängen …wenn nur keine Zwillinge mit mir spielen wollen.