OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #22: Umsteigen auf die Bahn

Das Motorrad in der Werkstatt wartet auf das Ersatzteil, der Himmel über Lviv erwartet Regen und ich kann’s kaum erwarten Kiev zu sehen. Ich hatte nur mal laut den Gedanken ausgesprochen, während der Wartezeit mit der Bahn nach Kiev zu fahren, da telefonierten die Mechaniker auch schon herum, um mir ein Bahnticket zu besorgen.

Urtümliche Schliessfächer hielten meine Reisetasche in Verwahrung. Derweil ein wenig in der Innenstadt rumstrollen, war der Plan. Doch schon verdunkelte sich der Himmel. In einer Pizzeria fand ich Unterschlupf und Kaffee, und seit langem wieder mal ne Pizza.

Spätabends brachte mir der Mechaniker meines Vertrauens sogar das Bahnticket bis an den Bahnhof, wer sicher ging, dass ich auch den richtige Zug erwische. Das Viererabteil teilte ich mit einem jungen Ukrainer, der geschäftlich nach Kiev musste und den nächsten Tag fit sein sollte. Also machten wir es uns im Abteil bequem, rollten die Decken aus und löschten das Licht. Im Rattern des Zuges entflohen die Gedanken ins Traumland.

OST-EUROPA-MOTORRADTOUR #20: Eine beschwingte Fahrt nach Lviv

Was sich dem Titel nach an eine Kaffeefahrt denken lässt, war in Wahrheit ein Tortur. Okay, kann eine Kaffeefahrt auch sein. Wobei ich das Motorradabenteuer, jetzt im Nachhinein, natürlich bevorzuge. Die morgendliche Fahrt durch die nebelverhangene Bergwelt Transkarpatiens hätte was mystisches haben können, wenn da nicht die gelöcherte Strasse und das kaputte Motorrad gewesen wären. Jedes Schlagloch und jede Bodenwelle liess die Honda extrem nachschwingen. Obwohl Lviv über 200 Kilometer entfernt ist, fasste ich es als Ziel ins Auge. Die Chance dort den defekten Stossdämpfer ersetzen zu lassen, schien mir um einiges grösser als wo anders. So rüttelte und schwang ich mich mühselig von Kurve zu Kurve. Kaum war der Belag mal besser, taten sich unvermittelt riesige Schlaglöcher auf. Einmal nicht aufgepasst versinkt das Vorderrad darin und die Schwingen lassen mich in die Höhe springen. Legenden nach verschwinden hier ganze Kleinwagen in unheimlichen Schlaglöcher. Für -wortwörtlich-geschlagene hundert Kilometern folgten Schlagloch auf Schlagloch. Ich glaube man kann sich sogar an das gewöhnen.

Dann plötzlich wurde die Strasse sanft und ruhig. Ich war aus dem verwunschenen Tälern heraus. Sachte konnte ich den Gashebel aufdrehen. Bis die nächste Bodenwelle mich fast aus dem Sattel warf. Aber auch daran gewöhnt man sich und lernt die Strasse zu lesen. Diese führte mich schnurstracks zu meinem billigen Hotel ausserhalb Lviv. Für günstige 10€/Nacht durfte ich ein einfaches Doppelzimmer beziehen, also der Preis, den ich sonst für Camping bezahle.

Na, dann reicht das Budget auch noch für einen Cappuccino in der Altstadt, denke ich mir, und sitze bald darauf bei herrlichem Sonnenschein auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. Die ersten Eindrücke gesammelt und auf Pixel gespeichert, vernahm ich bereits die nächste Hiobsbotschaft. Der Bankautomat rückte kein Geld raus. Es scheint, meine Bank blockte die Karte.

Kein Problem, dachte ich, und zückte triumphierend meine „back-up“-Karte. Doch auch damit weigerte sich der Automat Geld abzuheben. Nun stehe ich mit kaputtem Motorrad in der Ukraine und komme nicht an mein Geld. Das vermeintliche Restaurant beim Hotel gibt mir kein Essen aus, da sie gerade einer Festgesellschaft ein Bankett herrichtete, und das nächste Esslokal serviert mir einen überteuerten Avocado Salat, wobei die mickrigen Brotscheiben extra verrechnet werden. Zu allem Überdruss sind die Hotelwände noch so dünn. Im Dunkeln liegend, wähnte ich das schreiende Kind zu meiner rechten und das stöhnende Liebespaar zur meiner linken zu haben. Irgendwie schlief ich dann doch noch ein, und wache hoffentlich in einer besseren Woche auf…